Goldschmied Edwin Zaloha: „Schauen tut man mit den Händen“

Edwin Zaloha wollte die weite Welt erforschen, hat sich dann aber doch seiner familiären Wurzeln besonnen und wie sein Vater das Goldschmiede-Handwerk erlernt. Im Gespräch mit der MEISTERSTRASSE verrät der 53-jährige Wiener, wie Ihn die Ideen seiner Kunden zu immer neuen Höchstleistungen antreiben, wie sich das Handwerk aus seiner Sicht verändert und warum sich ein Mönch aus dem 11. Jahrhundert in seiner Werkstatt dennoch sofort wohl fühlen würde.

Interview: Hannes Kropik, Fotos: Lisa Resatz

Herr Zaloha, war Goldschmied ihr erster Berufswunsch?
Ganz und gar nicht. Mein Vater war Goldschmied, aber meine Eltern haben mir meine Berufswahl freigelassen. Mit 14 habe ich mir eingebildet, ich muss Pilot werden, also habe ich die HTL für Flugtechnik und Maschinenbau besucht. Aus heutiger Sicht war das eine ganz wichtige und kluge Entscheidung, denn in der HTL ist mir das Talent des Handwerkens aufgegangen. Das ist deshalb so erstaunlich, weil ich zu Beginn der 1. Klasse noch die Befürchtung hatte, in der Werkstätte durchzufallen. Alle anderen haben sich vor Mechanik und Mechanischer Technologie gefürchtet und ich vor der Werkstatt. Ich hatte ja zuvor nie eine Feile, einen Hammer oder eine Säge in der Hand gehabt.

Ihr Vater war Goldschmied, aber Sie haben als Kind nie in seiner Werkstatt mit all den faszinierenden Werkzeugen gespielt?
Mein Vater war in einem Juwelierbetrieb mit 15 Mitarbeitern beschäftigt und ich habe ihn nur selten in der Werkstatt besucht. Wenn ich am Schulweg kurz vorbeigeschaut habe, haben mich vor allem die Feingoldbarren oder Feingoldmünzen interessiert. Das Erlebnis, Gold in Händen zu halten, hat mich schon früh fasziniert. Ich bin ein haptischer Mensch und sage gern: „Schauen tut man mit den Händen“. Ich ermutige meine Kunden immer, die Produkte anzugreifen und nicht nur anzuschauen.

Goldschmied Zaloha in Werkstatt in Wien bei der Arbeit

Warum sind Sie dennoch Goldschmied geworden?
Nach der HTL hatte ich immer noch den Drang, in die weite Welt hinauszuziehen und habe begonnen, Geografie zu studieren. Es gab aber einen noch größeren Drang, nämlich jenen, eine Familie zu gründen. Als Geograph hätte ich Volkszählungen im Kongo durchgeführt oder den Amazonas kartiert, denn für einen Bürojob wäre ich vollkommen ungeeignet gewesen. Aber weil sich meine Berufsvorstellungen nicht mit dem Wunsch nach einer Familie vereinbaren hätten lassen, habe ich von einem Tag auf den anderen beschlossen: Ich werde Goldschmied.

Einfach so?
Ja, einfach so. Die Idee kam aus heiterem Himmel.

Können Sie sich an Ihr erstes fertiges Werkstück erinnern?
Nein. Ich weiß aber, dass ich am Anfang einige Schmuckstücke speziell für meine Frau gefertigt habe – darunter eine Kette, die sie ziemlich bald im Ottakringer Bad verloren hat. Wobei ich sagen muss: Ich schmiede gerne und bin stolz auf meine Produkte – aber ich kann sie gut aus der Hand geben. Ich weiß: Ich habe es einmal gemacht, also kann ich es genauso gut ein zweites Mal machen. Für mich ist der Verlust von materiellen Dingen nicht allzu dramatisch. Für mich sind Emotionen wesentlich wichtiger und wertvoller.

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Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Eigenschaften, dank derer Sie seit langer Zeit auf so hohem Niveau arbeiten können?
Spaßhalber sage ich oft: Als Goldschmied darf man keinen allzu großen Horizont haben. Unser Arbeitsgebiet ist begrenzt und überschaubar. Als Goldschmied muss man in den kleinen Dingen sehr pingelig sein. Es ist notwendig, an feinsten Details große Freude zu haben. Es geht bei unserer Arbeit um Nuancen – und selbst wenn ein Stück vermeintlich fertig ist, kann es entscheidend sein, noch eine Facette anzulegen, die nicht mehr als einen halben Millimeter breit ist.

Ist Goldschmied ein anstrengender Beruf?
Das Wichtigste ist die Konzentration. Beim Goldschmieden muss man äußerst selten so viel Kraft anwenden, dass man dabei an seine Grenzen stößt. Meine Arbeit hat mehr mit Schachspielen zu tun als mit großen körperlichen Anstrengungen.

Wo liegen die größten Herausforderungen?
Ich habe große Freude daran, neue Dinge zu machen. Ich produziere auch ganz einfache Dinge sehr gern, wenn ich jemandem damit eine Freude machen kann. Aber wenn mich jemand vor Probleme stellt, dann reizt es mich, überlegen zu müssen, wie sich eine Idee praktisch umsetzen lässt. Hier kommt mir sicher die Ausbildung, die ich in der HTL genossen habe, zu gute. Wie ich gerne sage: Meine Biegeträger sind auch Biegeträger, nur nicht ganz so groß und massiv wie bei einer Eisenbahnbrücke. Im Prinzip ist ein Ohrstecker ja auch nichts anderes als ein Biegeträger. Ich muss einfach nur in anderen Dimensionen denken.

Sie verwandeln Kinderzeichnungen in Schmuckstücke. Wie sind Sie auf diese schöne Idee gekommen?
Jede Kinderzeichnung ist ein Unikat. Die Idee, daraus Schmuckstücke zu fertigen, stammt von einer Kundin. Ich selbst habe mittlerweile drei Enkelkinder und dementsprechend viele Zeichnungen habe ich schon umgesetzt.
Das ist etwas, was ich an meinem Beruf durchaus liebe: Es kommen immer wieder Kunden und bitten mich, aus Zeichnungen ihres Mannes oder ihrer Frau einen Anhänger zu machen. Dabei bekommt man von den Kunden Geschichten geschenkt: Erzählungen, die mit einem großen Ereignis in Zusammenhang stehen, einem Jahrestag, einem Hochzeitstag, einem runden Geburtstag, Heiratsanträge. Ich bekomme so viele Lebensgeschichten erzählt und versuche, diese ganz persönlichen Emotionen in ein Schmuckstück hineinzupacken. Ich weiß, dass so ein Schmuckstück mit Freude getragen wird und gleichzeitig weiß ich, dass ich und meine Fertigkeiten durch dieses Schmuckstück ein kleiner Teil dieser Geschichte werden darf.

Welche Assoziationen weckt der Begriff „Handwerk“ bei Ihren Kunden?
Es kommt praktisch kaum jemand irrtümlich in mein Geschäft. Es ist eine bewusste Entscheidung zu sagen: „Heute gehe ich zum Zaloha und lass mir etwas Besonderes machen.“Im Leben dieser Menschen ist Platz für das Besondere: Es soll maßgeschneidert sein, es soll die Persönlichkeit unterstreichen, es soll an einen ganz speziellen Moment erinnern.

Sehen Sie selbst eher als Handwerker oder als Künstler?
In jungen Jahren habe ich immer gesagt: Ich bin kein Künstler, ich bin nur ein Handwerker. Ohne allzu keck sein zu wollen, weiß ich heute: Ja, es ist eine Kunst, Wünsche und Vorstellungen anderer Menschen umsetzen zu können. Mir ist es ein wichtiges Anliegen, jene Aspekte herauslesen zu können, die hinter einem Wunsch stecken. Und ja, ich glaube, das ist eine Kunst, die ich beherrsche. Man muss gut zuhören und man muss ganz genau nachfragen, damit am Ende jedes Detail stimmt.

Goldschmied Edwin Zaloha mit Ehefrau Erika in der Werkstatt in Wien
Edwin und Erika Zaloha in der Werkstatt in Wien-Neubau

Wie hat sich der Beruf des Goldschmieds in den vergangenen Jahrzehnten verändert?
Es hat eine enorme Schrumpfung der Betriebsgrößen stattgefunden. Ich habe noch Leute gekannt, die früher in einer Werkstatt mit 50, 60, 100 Personen tätigwaren. Damals hatte jeder Mitarbeiter seinen eigenen Aufgabenbereich und nur diesen engen Aufgabenbereich hat er erfüllt.Heute haben wir Ein-, manchmal Zwei-Personen-Betriebe und was du können musst, umfasst im Prinzip alles, was früher 50 Personen gemacht haben.

Ist früher mehr mit der Hand gearbeitet worden?
Nein. Es wurde aber wesentlich mehr im Inland produziert, es wurde viel weniger Schmuck importiert. Heute kommt nur noch ein kleiner Teil des Schmucks, der hier verkauft wird, tatsächlich aus Österreich.

Wie definieren Sie selbst den Begriff „Handwerk“ – nicht zuletzt in einer Zeit, in der eine moderne Technik wie der 3D-Drucker Einzug in die Welt der Goldschmiede hält?
Würden Sie bei mir in der Werkstatt den Strom abdrehen, könnte ein Mönch aus dem 11. Jahrhundert trotzdem sofort zu arbeiten beginnen. Er würde sich maximal wundern, dass die Werkzeuge um sovieles feiner sind als zu seiner Zeit. Ich habe ein Lehrbuch über das Goldschmieden im 11. und 12. Jahrhundert: Die Art und Weise, wie ich ein Rohr ziehe oder wie ich Gold schmelze und legiere oder wie ich feile und hämmere, ist exakt die gleiche wie vor fast tausend Jahren. Gut, früher konnte man nur bei Tageslicht arbeiten und wir heute bis spät in die Nacht. Ich weiß aber nicht, ob das ein Vor- oder ein Nachteil ist.
Natürlich bieten die technischen Errungenschaften, die wir uns im Lauf der Zeit erarbeitet haben, neue Möglichkeiten. Und neue Möglichkeiten haben immer ihren Reiz. Handwerk hat für mich trotz allem in erster Linie damit zu tun, dass ich etwas mit meinen eigenen Händen schaffe. Aber die Frage „Wo fängt Handwerk an, wo hört es auf“ ist nicht glatt zu beantworten. Ab dem Zeitpunkt, wo wir uns Stanzen fertigen, verwenden wir schon eine kleine und vielleicht auch primitive Maschine – aber eben eine Maschine, die mir eine Arbeit abnimmt.

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Wird die Arbeit mit den Jahren und der wachsenden Routine einfacher? Oder wird sie schwieriger, weil Ihre eigenen Ansprüche größer werden und Sie – um ein Wort von vorhin aufzugreifen – pingeliger werden?
Es gibt so Momente, in denen ich mich frage: Warum hast du nicht einfach einen Job, in dem du jeden Tag das gleiche machst? Aber das sind Gott sei Dank sehr seltene Momente. Trotzdem: Natürlich ist es anstrengend, immer wieder neue Dinge zu konzipieren. In Wirklichkeit ist es aber so, dass ich diese Herausforderungen außerordentlich liebe. Ja, ich freue mich, einen derart abwechslungsreichen Beruf zu haben. Ich werde immer wieder mit neuen Fragen konfrontiert, für die ich Lösungen finden muss. Das war aber vor 30 Jahren schon so, und auch vor 20 und vor zehn – und ich hoffe, dass es in zehn Jahren auch noch so sein wird.

Was uns zur abschließenden Frage führt: Sie kommen schön langsam in ein Alter, in dem man vorsichtig über den Ruhestand nachdenken könnte. Ist die Pension schon ein Thema für Sie? Oder sagen Sie: Egal, ich arbeite, so lange es mir Freude macht?
Ein altes Sprichwort sagt: Wenn wir Pläne machen, lächelt Gott. Wenn ich zurückdenke, welch lustige Pläne ich für mein Leben hatte, muss ich selbst auch schmunzeln. Mit diesem Wissen gehe ich heute durchs Leben. Aber scherzhaft sage ich schon gerne: Wenn ich einmal gestorben bin, dann müsst ihr mir meinen Werktisch ins Grab nachwerfen.
Natürlich gibt es Aspekte wie den wirtschaftlichen Druck, den man nicht außer Acht lassen kann, wenn man einen Betrieb führt. Den würde ich manchmal gerne abstreifen. Aber der Gedanke, mich gar nicht mehr handwerklich zu betätigen, ist schwer vorstellbar. Es wird jedenfalls ganz maßgeblich davon abhängen, wie sehr mir der Herrgott das Augenlicht erhält. Aber solange ich sehen und meine Finger bewegen kann, werde ich sicher Handwerken. Ich freue mich auf all die neuen Dinge, die ich in meinem Leben noch schmieden darf.

 

Der 53-jährige Goldschmied geht in der Kaiserstraße 44 (1070 Wien) gemeinsam mit Ehefrau Erika seinem Traumberuf nach – den er mit 21 Jahren ergriffen hatte, nachdem er seine ursprünglichen Pläne, nämlich zuerst Pilot und dann Geograph, zugunsten seines sehnlichen Wunsches nach einem sesshafteren Leben mit eigener Familie aufgegeben hatte. In seiner Freizeit bekleidet der leidenschaftliche Naturbeobachter das Amt des Diakons in der Pfarre Ober St. Veit.

Weitere Informationen finden Sie auf:
www.meisterstrasse.com/de/schmuckstuecke-zaloha
www.schmuckstuecke.at