Der Fritz vom Welterbe-Wirtshaus „Steegwirt“ ist einer, mit dem ist man schnell per Du. „Wir sind in Goisern, da sind wir automatisch per Du“, sagt er. Und da ist es auch egal, ob Fußball-Star David Alaba oder der Bundespräsident vor der Tür steht, um die mit einer Gault-Millau-Haube ausgezeichnete Küche im Salzkammergut zu genießen.
Interview: Hannes Kropik
Fotos: Thommy Mardo
Du stammst, wie dein jüngerer Bruder Tamino, aus einer alteingesessenen Gastronomen-Familie am Hallstätter See. War es für dich von Anfang an klar, dass auch du Koch werden willst oder hättest du dir einen alternativen Lebensweg vorstellen können?
Uns ist der Beruf praktisch in die Wiege gelegt worden. Wenn deinen Eltern Familienbetrieb wie der Steegwirt gehört, der seit 1571 dasteht, dann wächst du da automatisch hinein. Du erlebst ja jeden Tag mit, wie deine Eltern hier arbeiten und bist irgendwie von Anfang an involviert.
Und du wolltest als Teenager niemals aus diesem System ausbrechen?
Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil, mich hat es immer fasziniert, was meine Eltern in der Küche gemacht haben oder wie sie sich um die Gäste gekümmert haben. Es gab keinen Grund, aus diesem System ausbrechen zu wollen. Im Gegenteil! Es ist eine Ehre, so einen Betrieb wie den Steegwirt weiterführen zu dürfen.
Du hast es schon angesprochen: Das Wirtshaus gibt es bereits seit 1571 – ist so eine lange Tradition heute eher ein Vorteil oder manchmal vielleicht auch eine gewisse Belastung, weil damit ja gewisse Vorstellungen verbunden sind, die man erfüllen soll, erfüllen muss?
Ich bin mit meinen 34 Jahren der ältere Bruder, Tamino ist 26. Unser Vater hat immer gesagt: „Übernehmt den Betrieb nur, wenn Ihr das wirklich mit eurem Leben und euren Partnerinnen vereinbaren könnt.“ Und er hat gesagt: „Was ihr euch vorgenommen habt, das wird sicher aufgehen. Aber wenn ihr zum Kochen woanders hingeht, dann werdet ihr euch euer Geld leichter verdienen …“ Aber was soll ich sagen, der „Steegwirt“ ist für meinen Bruder und mich eine Lebensaufgabe geworden.
Ihr habt das Haus zuletzt aufwendig und kostenintensiv renovieren lassen.
Ja, wir haben erst Anfang Mai nach sechs Monaten wiedereröffnet.
Und es ist euch gelungen, den alten Charme, den alten Charakter des Steegwirts zu erhalten.
Das Haus steht natürlich unter Denkmalschutz und wir mussten das Gewölbe im Inneren stehen lassen. Aber was heißt „müssen“? Wir hätten das ja sowieso nie weggerissen, denn es ist ein wichtiges Merkmal des Hauses. Nur Idioten würden etwas so Besonderes wegreißen und etwas Neues aufbauen, nur weil es deutlich billiger wäre. Wir haben die alten Sitzbänke herausgerissen und restaurieren lassen. Das kostet natürlich seinen Preis, aber wir haben den Charakter des Hauses erhalten. In der Küche und auch überall anderes haben wir aktuellste Hi-Tech eingebaut, wir bieten mittlerweile sogar WLAN an. Aber trotzdem, den 250 Jahre alten Ofen, auf dem wir bis zum Vorjahr gekocht haben, haben wir restaurieren lassen und in der Gaststube eingebaut. Wir haben sogar die alte Gartenmauer restauriert, anstatt einfach günstiger eine neue zu bauen.
Ist Koch in deinem Fall ein Beruf oder eine Berufung? Und wie wichtig sind dabei die Verdienstmöglichkeiten?
Es ist definitiv eine Berufung. Ich sehe das so: Wir leben in Bad Goisern am Hallstättersee und dürfen, dürfen!, im Steegwirt arbeiten. Wir dürfen jeden Tag Gäste in unserem Haus begrüßen und das Schönste, was es gibt, ist zu sehen, wie diese Gäste am Abend glücklich und zufrieden nach Hause gehen. Natürlich muss das Finanzielle auch passen, denn wir müssen ja von unserer Arbeit leben können. Aber es ist wurscht, ob wir jetzt 12 Stunden in der Küche stehen oder 14 Stunden. Wir wollen einfach unsere Gäste glücklich machen.
Im Salzkammergut hat das Handwerk bekanntlich einen besonders hohen Stellenwert. Siehst du das Kochen auch als Handwerk?
Auf jeden Fall! Vor allem, wenn man so kocht wie wir, ist es definitiv Handwerk. Natürlich könnte ich es mir leicht machen und einen fertigen Erdäpfelsalat aus dem Kübel servieren. Aber ich stelle mich lieber hin, suche selbst die richtigen Erdäpfel aus und brauche halt bei der Zubereitung jeden Tag zwei Stunden länger. Genau das schätzen die Gäste aber auch an unserer Küche.
Die Industrialisierung greift ja immer weiter um sich, in der Gastronomie hat längst das vorbereitete „Convenience Food“, also eben der angesprochene „Erdäpfelsalat aus dem Kübel“ Einzug gehalten. Wie kann da das traditionelle Handwerk in Zukunft noch bestehen?
Es geht um die Authentizität. Schau, bei mir hat gerade ein befreundeter Zimmerer auf einen Kaffee vorbeigeschaut. Ich hätte mir meine Türen billiger in einem großen Möbelhaus kaufen können, aber ich habe sie von ihm machen lassen – denn da weiß ich, wer diese Türen hergestellt hat. Das kostet mehr, natürlich, aber dafür weiß ich, dass es authentische Türen sind. Genauso sind mein Erdäpfelsalat und mein Schweinsbraten authentisch. Man spürt oder schmeckt den Unterschied ganz einfach.
Apropos Schweinsbraten: Ihr wart ja nicht zuletzt für euer „Brat’l in der Rein“ berühmt – das steht nach dem Umbau weiterhin auf der Karte, oder?
Freilich, solche Traditionen müssen erhalten bleiben! Ich sag’ immer so: Ich brauche keinen Hummer und keinen Kaviar, wenn ich ein gutes Brat’l haben kann. Natürlich haben wir auch andere Speisen auf der Karte, aber das Brat’l mit Stöcklkraut und Semmelknödel gehört einfach zu uns. Wir probieren aber auch immer wieder Neues aus, vor allem mit Produkten aus der Gegend und deswegen haben wir zum Beispiel ein Latschen-Eis auf der Karte.
Bitte was?
Ein Latschen-Eis. Wir schneiden selbst die Latschen-Nadeln klein, machen daraus eine Butter und daraus wiederum ein Eis. Das ist einfach klassische Handwerkskunst.
Okay, das muss ich unbedingt kosten!
Wenn du noch nie bei uns warst, ist das sowieso ein schwerer Fehler …
Deine Ausbildung hat dich unter anderem zu Spitzenköchen wie den Obauers oder Norbert Niederkofler geführt, vor fünf Jahren hast du dir beim Steegwirt selbst deine Gault-Millau-Haube erkocht …
Mir ist es eigentlich nie um die Auszeichnung an sich gegangen. Aber es war schon das Ziel meiner Eltern und dann auch das von mir und meinem Bruder, aus einem einfachen Land-Gasthaus etwas zu machen, nämlich ein Haus mit Kultur und Niveau. Und das ist uns gelungen. Vor allem ist uns aber gelungen, dass der Bundespräsident ebenso zu unseren Gästen zählt wie der normale Arbeiter. Es muss bei uns einfach für jeden etwas dabei sein.
So nebenbei bist du ja auch noch der Koch des Österreichischen Fußball-Nationalteams …
Ja, und wenn einem David Alaba oder Marko Arnautovic unser Essen schmeckt, dann freut mich das natürlich. Aber ich weiß, woher ich komme, nämlich aus Bad Goisern, aus dem Inneren Salzkammergut. Auszeichnungen sind fesch, aber wichtig ist, dass wir alle Gäste gleich behandeln. Alle werden mit einem freundlichen „Griaß enk“ empfangen und bekommen zur Begrüßung Brot und Salz.
Bei euch in Bad Goisern gibt es das Handwerkhaus, das 2009 letztendlich aus einer Idee der MEISTERSTRASSE entstanden ist. Wie wichtig ist diese Initiative für eure Region?
Sehr wichtig. Wir haben bei uns im Haus vier Gästezimmer und die wurden von Leuten renoviert, die auch Mitglied im Handwerkhaus sind. Zum Beispiel der Tischler Johannes Stockinger. Der hat das uralte Holz, das wir vom Dachboden heruntergerissen haben, in der Trockenkammer vom Holzwurm befreit und wieder eingebaut. Wir quatschen hier nicht von Zusammenarbeit, sondern leben das wirklich vor.
Fritz Grampelhuber jun, 34, hat an der Tourismus-Schule Bad Ischl maturiert und eine Lehre als Koch, Kellner und Tourismuskaufmann abgeschlossen. Seit 2009 kocht er fix im „Steegwirt“, den er mittlerweile gemeinsam mit Bruder Tamino, 26, von den Eltern übernommen hat – „der Vater ist aber ein alter Has’ und weiß wie das G’schäft rennt. Er hilft uns immer noch, vor allem auf der Business-Ebene.“ Von Gault Millau wurde Fritz Grampelhuber jun mit 14 Punkten und einer Haube ausgezeichnet. Weitere Infos auf www.steegwirt.at
www.meisterstrasse.at/gastronomie-steegwirt