Geschliffene Formulierungen und messerscharfe Pointen zählen zu den Markenzeichen des Kabarettisten Günther „Gunkl“ Paal. Im Sommer gönnt sich der ausschweifende Formulierer regelmäßig eine Auszeit von der Kopfarbeit und widmet sich wuchtiger Körperlichkeit. Uns erzählt der 56-jährige Wiener, was ihn am Damastschmieden so fasziniert und warum sich das Sein in der Werkstatt so richtig anfühlt.
Sie zählen seit Jahren zu Österreichs erfolgreichsten Kabarettisten. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, in Ihrer Freizeit Messer zu schmieden?
Zuerst muss ich sagen: Dass mich die MEISTERSTRASSE zu diesem Thema interviewt, ist mehr als schmeichelhaft. Von einer Meisterschaft bin ich weit entfernt.
Mich haben TV-Dokumentationen schon immer begeistert, in denen man sieht, wie richtig große Teile geschmiedet werden – zum Beispiel, wenn ein drei Meter langes und ein Meter dickes Eisen-Trumm mit hydraulischen Pressen in eine Generator-Welle verwandelt wird.
Was fasziniert Sie besonders beim Schmieden?
Die Umformung. Stahl hat ja zwei herausragende Eigenschaften: Er ist nicht penetrierbar und er ist formstabil. Deshalb verwendet man für gewisse Anwendungen Stahl und keine Maccaroni-Nudeln. Dass man Stahl unter gewissen Bedingungen dennoch verformen kann, wie man will, das fasziniert mich. Man bringt dieses Trumm in einen Zustand, in dem man ihm eine andere Geometrie geben kann – und zwar genau jene Geometrie, die man ihm geben will.
Damastschmieden ist besonders interessant. Erstens ergibt es schöne Muster. Zweitens wird die Grundeigenschaft, dass Stahl nicht penetrierbar ist, aufgehoben. Du legst verschiedene Stähle – ganz grob gesprochen: einen mit mehr, einen mit weniger Kohlenstoff und deshalb härter, der andere weicher und damit elastischer – Oberfläche an Oberfläche und erhitzt sie. Und dann haust du drauf und dadurch werden diese Oberflächen miteinander verschweißt. Das ist dann wie ein Ildefonso, das bekommst du nicht mehr auseinander.

Was ist der wesentliche Unterschied zwischen Ihrer Arbeit des Kabarettisten und Ihrem Hobby, dem Schmieden?
Als Kabarettist bin das ganze Jahr über fleißig. Ich arbeite wirklich viel. Aber was ich auf der Bühne mache, ist, wenn ich hinterher in der Garderobe sitze, weg. Man kann sagen, dass einige Zuschauer meine Gedanken vielleicht mit nach Hause nehmen. Ja, vielleicht. Aber von meiner Arbeit bleibt eben nichts außer dem, was sich manche Leute merken. Das ist ja auch fein, wenn man Wirklichkeiten setzen kann, die nicht ontologisch vorliegen. Aber beim Messerschmieden erschaffe ich etwas, das es dann einfach gibt. Es ist da. Und wenn ich weggehe, ist es immer noch da – ganz ohne mein Zutun. Meine Arbeit ist buchstäblich in Stahl gegossen worden. Also nicht gegossen, sondern geschmiedet. Aber jedenfalls ist es etwas Dauerhaftes.
Denken Sie da auch schon an die Nachwelt? Dass tatsächlich etwas bleibt, wenn Sie einmal nicht mehr sind?
Nein. Aber ich habe eine Freude, wenn etwas da ist, wozu ich nichts mehr machen muss. Bei meiner restlichen Arbeit ist es so: Wenn ich will, dass es sie gibt, muss ich sie machen. Das ist ja schön und ich beschwere mich gar nicht. Aber als Ausgleich will ich etwas schaffen, das am Tisch liegt und das ich mir nur noch anzusehen brauche.
Also ein bisserl wie Töpfern auf Kreta, um Schriftsteller Manfred Rebhandl zu zitieren.
Naja. Keramik hat für mich nicht den gleichen Reiz wie Stahl. Ich muss zugeben: Es ist ein bisserl martialischer, Dinge mit dem Hammer zu formen als mit nassen Händen.
Was machen Sie mit den Messern? Verwenden Sie sie wirklich zum Kochen oder verstauben sie dekorativ in der Vitrine?
Für’s Kochen fehlt mir das Talent. Aber ich sitze vor dem Fernseher und schneide mir damit Brot und Käse auf. Und ich freue mich, dass ich einen Pfefferoni senkrecht halten und mit einem Schnitt flott teilen kann. Meine Messer sind wirklich scharf.
(Gunkl nimmt eine Sammlung von vier selbst geschmiedeten Messern aus der Tasche)
Hier sieht man dieses wunderschöne Damastmuster. Mit einer hydraulischen Presse könnte man die Schichten sauber parallel schmieden. Das geht mit dem Hammer nicht, deshalb nennt man dieses Muster „wilder Damast“.

Wie lange arbeiten Sie an einem Messer?
Eine Woche. Wobei: Würde man wirklich reinklotzen, hätte man es nach vier Tagen fertig. Wenn man zwischendurch immer wieder eine rauchen geht, verliert man schon ein bisserl Zeit …
Sind Sie stolz, wenn Sie eines Ihrer Messer in die Hand nehmen?
Stolz ist ein großes Wort. Ich freue mich aber, wenn ein Messer genau so geworden ist, wie es mir vorgestellt habe.
Wo schmieden Sie? Ich habe gelesen, in Hamburg …
Nein, in der Nähe von Hannover. Vor zehn Jahren habe ich mir gedacht: Ich will jetzt ein Messer schmieden. Also habe ich im Internet den Suchbegriff „Damastschmiedekurs“ eingegeben und der Erste, der aufgepoppt ist, war der Schmied mit der Internetadresse www.derschmied.de – und ich dachte: Okay, das ist so goschert, den rufe ich an. Und er hat gesagt: Ja, ich kann zu ihm kommen. Aber unter zwei Bedingungen: Es geht nur alleine und nicht, wenn acht Leute bei ihm in der Schmiede stehen und sich die Finger verbrennen. Und zweitens: Es wird richtig gearbeitet. Ich habe gesagt: Sie sind mein Mann. Seither fahre ich jeden Sommer zu ihm.
Worauf kommt es beim Messerschmieden besonders an?
Wichtig ist, dass man mit dem Hammer gezielt auf den Stahl draufhaut. Das Problem ist ja nicht das Zuschlagen, sondern eher, dass man den Hammer dazwischen immer wieder in die Höhe heben muss. Wobei, der Hammer wiegt zwei Kilo, das derhebt man schon eine Zeit lang. Das wirkliche Problem ist, den Hammer so zu halten, dass man wirklich präzise zuschlägt: Die Hammerfläche muss planparallel aufs Werkstück treffen und nicht mit dem Spitz oder einer Kante, sonst haust du dir eine Vertiefung in den Stahl, die du nie wieder herausbekommst. Du willst den Hammer gerade halten, sein Gewicht vorne zieht ihn aber nach unten – es ist erstaunlich, wie groß der Muskelkater im Unterarm nach ein paar Stunden wird. Kein Wunder, dass Schmiede oft recht dünn sind, aber Unterarme haben, die so dick sind wie meine Oberarme.
Ich könnte mir vorstellen, dass diese Arbeit speziell am Anfang ein recht großes Frustrationspotential mit sich bringt …
Ja. Aber dann kommt der Schmied und sagt: Komm, ich richte dir das wieder gerade. Wenn man es kann, funktioniert das. Es ist ja wirklich erstaunlich, wie deformierbar Stahl ist. Außerdem ist diese Arbeit so beeindruckend, dass man nicht überrascht ist, es anfangs nicht richtig zu machen. Natürlich will man es können – aber alleine wenn du am Anfang zuschaust, wie da sieben Stahlblattln übereinander gelegt und mit normalen Schweißpunkten geschweißt werden, damit sie nicht auseinanderfallen. Eigentlich liegen sie lose übereinander, nur durch eine Schweißnaht gehalten. Dann wird es auf 1.100 bis 1.150 Grad erhitzt, der Schmied haut mit Schmackes drauf und macht aus diesen sieben Lagen ein Trumm. Das ist so beeindruckend! Es ist nicht so, dass du dir das ansiehst und sagst: „Ja, klar, mache ich schon“, sondern du sagst: „Wow! Das geht?“ Deshalb ist man auch nicht besonders frustriert, wenn es nicht sofort funktioniert. Aber natürlich bekommt man mit der Zeit eine gewisse Routine.
Was ist anfangs beim Arbeiten irritierender, der Lärm oder die Hitze?
Irritierend ist gar nichts, denn es gehört ja beides dazu. Wenn man in so eine Werkstatt hineingeht, dann fühlt es sich einfach richtig an, wenn es stinkt, heiß ist und laut ist. Das gehört so.
Ihre Arbeit als Kabarettist ist ja vor allem eine Kopfarbeit. Was macht Ihr Hirn, wenn Sie Schmieden, also eine recht körperliche Arbeit ausführen? Lassen Sie Ihre Gedanken schweifen?
Nein. Man braucht einen Plan und muss wissen, was man tut. Und das, was man tut, muss man kontrollieren. Man ist sehr konzentriert. Okay, wenn das Metall in der Glut ist, dann dauert es eine gewisse Zeit und während dessen kann man sich über andere Dinge unterhalten. Aber wenn geschmiedet wird, gibt es nichts anderes. Und das ist auch sehr schön
Wie groß sind die Gefahren, speziell für einen Ungeübten, wenn er mit Feuer und schweren Metallen zu tun bekommt?
Die Gefahr, dass du dich verbrennst, ist natürlich immer gegeben. Du greifst immer irgendwo hin, wo es heiß ist. Klar, solange es glüht, siehst du, dass es sehr heiß ist und du greifst nicht hin. Aber wenn es nicht mehr glüht, siehst du nicht automatisch, dass es vielleicht immer noch 400 Grad hat. Oder 200, ist ja wurscht. Es ist immer noch deutlich wärmer als handwarm.
Über der Esse gibt es zum Beispiel einen Dunstabzug und wenn da stundenlang heiße Luft durchzieht, erwärmt sich der ganz ordentlich. Das übersieht man aber gerne, wenn man schon einen ganzen Tag gearbeitet hat. Wenn man sich dort anlehnt, holt man sich verdientermaßen eine Brandblase. Aber das gehört dazu. Narben, sagt man ja, sind der Schmuck des Mannes. Und zu viele Narben sind das Signal für einen Deppen …
Ist Messerschmieden eine sehr männliche Arbeit?
Interessanterweise ja, aber nicht so, dass du damit angeben musst. Du tust es ja. Was du in der Schmiede machst, ist das, was der Silberrücken im Büro am Firmenparkplatz anstellen muss, damit die anderen glauben, er wäre ein echter Mann. Nein, in der Schmiede bist du definitiv kongruent mit „Mann“. Man muss aber dazu sagen, dass es auch Frauen gibt, die schmieden.

Was für unsere Großeltern-Generation noch ganz normal war, ist heute eigentlich schon ein Abenteuer-Urlaub …
Ja, man hat danach wirklich etwas zu erzählen. Und man braucht zwischendurch immer wieder großes Zutrauen, dass das, was bei dieser Arbeit herauskommt, tatsächlich schön wird. Wenn man diese Pletsch’n sieht, muss man im Kopf haben, was dabei einmal herauskommen kann.
Sie spielen ja aktuell nicht nur Ihr neues Programm „Zwischen Ist und Soll – Menschsein halt“, sondern treten am 25. Mai wieder mit den Science Busters im Wiener Stadtsaal auf – wird es dabei auch ums Schmieden gehen?
Ja, ich werde dort meine Messer präsentieren und erzählen, was alles beim Schmieden passiert. Also nicht die sozialen Interaktionen, sondern die technischen und physikalischen Grundlagen. Und ich werde auf offener Bühne eine Kleinigkeit schmieden …
Auf der Seite der Science Busters steht bei Ihrem Eintrag der Hinweis, Sie wären „Nebenerwerbs-Metallurg“ …
Das ist sehr übertrieben dahin formuliert. Ich habe großen Respekt vor der Wissenschaft und denen, die wirklich etwas wissen. Wenn man sich ein bisschen in dieses Eisen/Kohlenstoff-Thema einzulesen versucht, dann weißt du recht rasch, dass du nichts weißt. Aber wenn dir jemand in der Schmiede sagt, was du tun sollst, dann ist es eh einfach. Ich stelle dabei immer sehr viele Fragen, weil ich wissen will, wie Dinge funktionieren. Aber nach jeder Antwort tauchen zwei, drei neue Fragen auf, die mit „Warum“ beginnen. Das hört offenbar nie auf.
Am 25. Mai gastiert Gunkl mit den Science Busters im Wiener Stadtsaal. Der Abend steht unter dem Titel „Blade – über grobe und feine Klingen und wo das ganze Eisen eigentlich herkommt“. Die Termine seines neuen Soloprogramms „Zwischen Ist und Soll – Menschsein halt“ finden Sie auf www.gunkl.at.
Einen Überblick über spannende und empfehlenswerte Messerschmiede finden Sie auf www.meisterstrasse.com.