Dunhills Tomasz Nosarzewski: „Der Griff ist der wichtigste Teil einer Tasche“

 

Als Leather Manufacturing Manager leitet Tomasz Nosarzewski die Leder-Maßschneiderei der englischen Luxusmarke Dunhill. Im Rahmen der „Homo Faber“-Ausstellung in Venedig nahm sich der gebürtige Pole Zeit für ein Gespräch mit der MEISTERSTRASSE über traditionelles Handwerk, luxuriöse Erbstücke und das große Glück in der Werkstatt.

Interview: Hannes Kropik

Dunhill ist heute eine Weltmarke, die in unterschiedlichen Luxus-Segmenten zu Hause ist. Doch die Ursprünge liegen eigentlich im Tabakgeschäft.
Ja, das war aber nur der Beginn unserer Erfolgs. Tatsächlich begonnen hat die Geschichte der Familie Dunhill mit Leder. Der junge Alfred Dunhill, unser späterer Firmengründer, hat in der Sattlerei seines Vaters zu arbeiten begonnen. Leder war seine erste Liebe. Seit 130 Jahren entstehen durchgehend feine Lederwaren unter dem Namen Dunhill. Anfang des 20. Jahrhunderts konzentrierte er sich vor allem auf Zubehör und Accessoires für Automobile und begann nebenbei, Pfeifen herzustellen. Daraus hat sich das Tabakgeschäft entwickelt. Heute produzieren wir alles, was für den Gentleman wichtig ist.

Und feine Ledertaschen sind für den Gentleman sehr wichtig.
Ja, daran hat sich im Lauf der Jahrzehnte nichts geändert. Wir haben in unserer umfangreichen Produktpalette eine Serie von klassischen Taschen, „Dunhill’s Heritage“, die tatsächlich in traditioneller Handarbeit hergestellt werden.


Wie sieht diese traditionelle Handarbeit aus?
Es beginnt mit der Auswahl des Leders. Wir nähen unsere Taschen aus jenem Rinderleder, das normalerweise für Pferdesattel verwendet wird. Das besondere an diesem Leder ist, dass es ganz ursprünglich pflanzlich gegerbt und zum Abschluss mit tierischen Fetten imprägniert wird.

Sie haben hier ein Stück Original-Leder mitgebracht, das sehr dick ist.
Ja, es muss mindestens fünf Millimeter dick sein. Wir spalten diese dicke Lederschicht in unserer Werkstatt aber noch auf. Der obere Teil wird für den Körper der Tasche verwendet, der untere für den Griff. Aufgesplittet wird das Leder heute natürlich nicht mehr von Hand, sondern mit Hilfe einer Maschine.

Arbeiten Sie aber ansonsten noch so wie Ihre Vorgänger vor 130 Jahren?
Nein, es wäre anmaßend zu behaupten, wir arbeiten heute noch wie vor mehr als einem Jahrhundert. Aber es gibt Teile einer Ledertasche, die man unmöglich mit einer Maschine nähen könnte.

 

Welche Teile?
Vor allem der Griff! Und der ist, das dürfen Sie nicht außer Acht lassen, der wichtigste Teil jeder Tasche. Sie ist die direkte Verbindung zwischen dem Menschen und der Tasche. Der Griff ist, was der Mensch von der Tasche vor allem spürt. Deshalb verwenden wir immer noch die klassische Griffform, die bei uns aus neun Lagen Leder besteht. Diese Lagen werden zuerst verklebt, dann händisch in Form geschnitten. Die oberste Schicht besteht aus dem feinsten Leder, das wir haben. Zum Schluss markieren wir die Punkte, an denen wir die Naht nähen.

Letztendlich ist der Griff nahezu zwei Zentimeter dick. Das scheint dann eine recht anstrengende Arbeit zu sein …
Ja, die Löcher müssen einzeln händisch gestochen werden – mit Werkzeugen, wie sie Alfred Dunhill schon vor 130 Jahren verwendet hat.

Das bedeutet aber jede Menge Gelegenheiten, sich selbst ordentlich zu verletzen.
Sagen wir es so: In unserer Werkstatt arbeiten vier Männer, keiner von uns ist unter 50. Jeder von uns hat mindestens 30 Jahre Erfahrung im Griffe-Nähen. Wir wissen, wie schmerzhaft Fehler sind und vor allem wissen wir, wie wir solche Schmerzen vermeiden.

Was macht einen guten Taschner sonst noch aus?
Vermutlich ist tatsächlich die Erfahrung das Wichtigste. Natürlich musst du zuerst eine formelle Ausbildung machen, aber wirklich gut wirst du erst mit sehr viel praktischer Erfahrung. Und erst, wenn du in verschiedenen Bereichen der Lederverarbeitung gearbeitet hast, kannst du beginnen, exzellente Griffe herzustellen. In letzter Zeit merken wir übrigens wieder ein verstärktes Interesse junger Menschen, ein Handwerk zu erlernen. Scheinbar gibt es wieder eine Generation, in der nicht alle Designer werden wollen, sondern in der es wieder Interesse gibt, selbst etwas mit den Händen zu erschaffen.

Es gibt ein überaus vielfältiges Angebot an Taschen. Warum entscheidet sich jemand, doch recht viel Geld für eine Tasche aus Ihrer Produktion auf den Tisch zu legen?
Eine Tasche besteht aus 50 Einzelteilen und wird mit rund 300 Stichen genäht; ein Handwerker ist eine Woche lang beschäftigt, um eine Tasche von Hand zu fertigen. Das hat natürlich seinen Preis, nämlich rund 4.000 Euro. Ich denke aber, dass es für diese Art von Taschen auch in 130 Jahren noch einen Markt geben wird. Ja, unsere Produkte sind nicht günstig. Aber sie von klassischer Schönheit und sie halten nicht nur ein Leben lang, sie können auch an die nächste Generation vererbt werden.

Dunhill ist längst eine Weltmarke und gehört – wie etwa auch Cartier, Jaeger-LeCoultre oder Montblanc – zum Schweizer Richemont-Konzern. Ihre Werkstatt ist aber vor allem auf Maßarbeiten spezialisiert.
Ja, die Taschen der „Heritage“-Serie produzieren wir nur, wenn wir Zeit haben. Wenn jemand in unserem Flagship-Store in London einen speziellen Wunsch für eine ganz besondere Tasche hat, dann hat dieser Kundenwunsch immer Vorrang. Ich bin stolz, Teil dieser Gruppe von Handwerkern zu sein, denn ich denke, dass wir wirklich jede noch so ausgefallenen Idee umsetzen können. Diese Werkstatt ist für mich ein magischer Ort. Ich arbeite seit 18 Jahren bei Dunhill und liebe es immer noch wie am ersten Tag. Wenn ich eine Tasche fertig gestellt habe, sitze ich an meinem Tisch, betrachte sie und bin einfach glücklich.