Im kommenden Jahr erscheint in Zusammenarbeit von ZEIT und Callwey-Verlag „Das große Buch der Manufakturen“, auch die MEISTERSTRASSE ist Projektpartner der großangelegten Leistungsschau, die auf der IMM in Köln Anfang 2020 präsentiert wird. Herausgeber Olaf Salié erzählt im exklusiven Interview, was ihn persönlich an der Welt der Manufakturen so sehr fasziniert, nach welchen Kriterien die vorgestellten Betriebe ausgewählt werden und wofür er das Publikum sensibilisieren möchte.
Interview: Hannes Kropik
Herr Salié, Sie gelten als profunder Kenner der deutschen Manufakturen-Szene. Woher stammt Ihr Interesse für dieses Thema?
Olaf Salié: Eigentlich bin ich Germanist und Romanist und habe sehr viele Themen in meinem bunten Portfolio – vom französischen Chanson über Manufakturen und Maschinenbau realisiere ich gemeinsam mit meinem Team Projekte für verschiedene Medienhäuser. Ich folge meinen Interessen im besten und wahrsten Sinne des Wortes als Dilettant, also als jemand, der etwas besonders mag. Manufakturen haben mich mit der Qualität und Schönheit ihrer Waren schon immer fasziniert.
Sie bereiten gerade für den Callwey-Verlag und die ZEIT „Das große Buch der Manufakturen“ vor, das im Januar 2020 erscheinen wird. Können Sie uns die Idee dahinter kurz erklären?
Ich finde, dass die lebendige Manufakturen-Landschaft im deutschsprachigen Raum immer wieder gezeigt werden muss. Das Hauptziel des Buches ist es, ein tolles Forum zu bieten und zu zeigen, welch inspirierende, spannende Betriebe es gibt. Und zwar nicht nur Traditionshäuser, sondern auch die vielen modernen, jungen Manufakturen. Ich möchte eine Öffentlichkeit schaffen und Menschen für die schönen, auf handwerklich hohem Niveau gefertigten Dinge des Lebens sensibilisieren.
Wie groß ist die von Ihnen beschriebene Landschaft?
Unsere Datenbank umfasst alleine in Deutschland zwischen 600 und 700 Manufakturen, dazu kommen noch etliche in Österreich und der Schweiz. Im Endeffekt möchten wir die 300 spannendsten Manufakturen im deutschsprachigen Raum präsentieren. Aber es ist, wie wir alle wissen, recht schwierig zu definieren, was überhaupt eine Manufaktur ist. Die Unterscheidung zu Kunsthandwerk beziehungsweise Meisterhandwerk ist ja zuweilen nicht ganz klar. Der Begriff wird ubiquitär verwendet, deshalb kann es in Berlin auch eine Pommes-Manufaktur oder eine Zahn-Manufaktur geben.
Probieren Sie bitte trotzdem eine Definition des Begriffs „Manufaktur“.
Ein sehr engagierter deutscher Manufakteur, nämlich Hartmut Gehring, der gemeinsam mit seinem Bruder die Firma Schneidwaren Gehring führt, hat einen Satz gesagt, den ich plausibel fand: „Eine Manufaktur hat ein Produkt“. Manufakturen stellen – innerhalb der verschiedenen Branchen mit unterschiedlich hohem Grad an manueller Arbeit – ein Produkt her, das nicht maßgefertigt ist. Was maßgefertigt ist, ist eher Meisterhandwerk. Das ist auch ein spannendes Thema, aber mit dem beschäftigen wir uns hier nur am Rande.
Sie haben sich als Herausgeber einen umfangreichen Beirat an Experten aufgebaut, der Sie bei der Auswahl der Betriebe berät? (Anm. Liste aller Beiräte siehe unten)
In unserem Beirat, der bewusst groß gehalten worden ist, sitzen Journalisten, Manufaktur-Betreiber und Vertreter wichtiger Institutionen wie der Initiative Deutsche Manufakturen, der MEISTERSTRASSE oder Land der Ideen. Ich finde ja, dass sich alle Protagonisten zusammentun müssten, um das Manufakturen-Thema gemeinsam voranzubringen. So sehe ich zum Beispiel die MEISTERSTRASSE und ihre Guides überhaupt nicht als Konkurrenz. Im Gegenteil, ich schätze unendlich, was Nicola und Christoph Rath und ihr Team leisten. Was die MEISTERSTRASSE macht, ist ein ganz wichtiger Beitrag zur Welt der Manufakturen.
Nach welchen Kriterien werden die Manufakturen für dieses Buch ausgewählt?
Wichtig ist mir, dass wir die Auswahl nicht verkniffen angehen, sondern dass wir uns das gemeinsam ansehen und sagen: Den nehmen wir auf, den sprechen wir an. Wir wollen keine Wissenschaft daraus machen und uns nicht in Haarspaltereien auf der Suche nach einer mathematischen Formel verlieren. Wenn es funkelt und spannend ist, dann werden wir vielleicht auch für einen Handwerksbetrieb einen Raum im Manufakturen-Buch finden.
Welches Ziel haben Sie mit dem umfangreichen Werk?
Was Manufakturen heute brauchen, ist Wahrnehmung. Das Geld beim Verbraucher ist ja da. Aber man muss die Menschen, die dieses Geld besitzen und ausgeben können, für die handwerkliche Qualität von Waren sensibilisieren, für die Lebensdauer und Kostbarkeit von Produkten. Das ist eine pädagogische Aufgabe, die wir uns auf die Fahnen geschrieben haben: In einer Zeit, in der es immer mehr furchtbare Wegwerfprodukte gibt, möchte ich eine Gegenwelt präsentieren – eine Welt der Dinge, die man behält, die man flickt, wenn sie kaputt sind und die man vererbt, wenn man stirbt. Das ist die Welt der Manufakturen.
An wen richtet sich das Buch? Als Herausgeber haben Sie ja sicher eine gewisse Wunsch-Zielgruppe vor Augen.
Die Zielgruppe ist relativ groß. Wir richten uns an alle Menschen, die sich ihr Leben schön machen wollen. Menschen, die sich ihr Leben „möblieren“ wollen und nicht nur ihre Wohnung. Menschen, die sich für eine gewisse Lebenskultur entschieden haben, die zum Beispiel Ihren Tisch achtsam und schön decken, weil sie den Tisch als Ort der Kommunikation, der Freundschaft, der Lebensfreude definieren. Es geht um Verfeinerung, denn Kultur ist immer ein Prozess der Verfeinerung.
Das Cover den Buches wurde von Mario Lombardo gestaltet. Welche Geschichte steckt hinter diesem faszinierenden Bild und welche Vorgaben hat der Grafiker für seine Arbeit bekommen?
Bücher müssen Symbole sein; Objekte, die in der Welt liegen und schön anzuschauen sind. Was ich suche, bekomme ich nicht beim Grafiker ums Eck. Ich muss mit den Besten zusammenarbeiten. Und einer der Besten aktuell ist sicherlich Mario Lombardo. Menschen wie Lombardo gibt man nur ganz wenige Vorgaben. Man muss sehen, was in ihren Köpfen passiert und was sie anbieten. Wir haben fast ein Jahr lang miteinander kommuniziert und dann lieferte er dieses Cover, bei dem ich sofort wusste: Das ist es! Es weckt verschiedene Assoziationen: Die Hand symbolisiert das Handgemachte und erinnert an eine mittelalterliche Karte, darin finden sich Gilden und Zünfte, aber sie bietet auch Orientierung und einen Plan. Und natürlich hat das ganze Bild einen ungewöhnlichen Swing.
Das Buch verspricht, ein „Almanach der Schönheit und Nützlichen“ und eigenes Kunstwerk zu werden …
Der Einband wird aus Leinen sein und darin ist das Bild dieser Hand eingeprägt. Ich freue mich schon sehr darauf, denn ich glaube, dass es ein sehr schönes Buch werden wird. Ich verstehe Bücher nicht nur als Objekte, die man lesen und nutzen kann. Es müssen schöne Gegenstände sein. Bücher müssen so schön sein, dass man sie zum Beispiel politischen Würdenträgern überreichen kann. Sie müssen Menschen anziehen und Aufmerksamkeit erregen.
Vor wenigen Wochen haben wir „MEISTERSTÜCKE SELECTION – Best of Craftsmanship“ herausgegeben. Wodurch wird sich „Das große Buch der Manufakturen“ von unserem Guide unterscheiden?
Beide Publikationen sind enorm wichtig – aber man kann sie nicht miteinander vergleichen. Die Guides der MEISTERSTRASSE sind ein über die Jahre gelerntes, erfolgreiches Format. Sie erscheinen in der Edition MEISTERSTÜCKE in regelmäßigen Abständen und werden in großer Stückzahl von den portraitierten Unternehmen an deren Bestkunden verteilt. Sie nutzen diesen oftmals als spannende Reiseführer – zu großen und kleinen Manufakturen, aber auch zu klassischen Maßhandwerkern oder jungen, handwerklichen Designern. Unser Manufakturen-Buch wird eine deutlich längere Halbwertszeit haben; es wird ein richtig großes Buch mit allen Veredelungen, die man sich vorstellen kann. In seiner physischen Präsenz wird es eine Symbolkraft haben, das ist ganz wichtig.
Nicht zuletzt dank des Beirats wird mit der Veröffentlichung im Herbst wohl eine große mediale Aufmerksamkeit erreicht werden?
Ja, es ist ein Projekt der ZEIT-Verlagsgruppe, einem der erfolgreichsten und angesehendsten Medienhäuser Europas, und dem Callwey-Verlag mit einem der besten Buch-Vertriebe im deutschsprachigen Raum. Es wird also im Buchhandel sehr gut vertreten sein und die ZEIT ist über den eigenen Manufakturen-Shop ohnehin sehr engagiert in diesem Thema. „Das große Buch der Manufakturen“ wird deshalb sehr präsent sein.
Zur Person
Olaf Salié, 1969 in Dormund geboren, ist Autor und Publizist. 2015 war er Initiator und Co-Herausgeber des „Deutschen Manufakturführers“, 2017 erschien in der ZEIT-Verlagsgruppe das Projekt „Aus bester Familie“, 2019 wurde bei der „Ambiente“-Messe in Frankfurt erstmals der von ihm und seinem Mann, dem Floristen Björn Kroner-Salié, gegründete „DINEUS“-Award für Tischkultur vergeben. Er ist Gründer und Vorstandsvorsitzender des Kunstvereins Kirschenpflücker e.V. und lebt in Berlin.
Zum Beirat
Der Beirat umfasst wesentliche Personen und Institutionen aus der lebendigen Manufakturen-Landschaft im deutschsprachigen Raum. Unter dem Vorsitz von Dr. Marcella Prior-Callway (Callwey-Verlag) wird das Projekt unter anderem von folgenden Experten unterstützt: Benedikt von Poschinger (Poschinger Glasmanufaktur), Dr. Thomas Koy (Liebich Holzmanufaktur), Sandra Kreft (ZEIT-Verlagsgruppe), Michael T. Schröder (Initiative Deutsche Manufakturen), Stefanie von Wietersheim (Journalistin), Matthias Vickermann (Vickermann & Stoya), Friedrich J. Conzen (Conzen-Rahmen), Dr. Frank Müller (Bridge to Luxury), Andreas Müller (Mühle-Rasierpinsel), Jan Heipke (Klar-Seifen), Angelika Müller (Herausgeberin H.O.M.E.-Magazin), Stephanie Saalfeld (Porzellanmanufaktur Fürstenberg), Dr. Nicola Rath und Christoph Rath (MEISTERSTRASSE), Brigitte Federhofer-Mümmler (e+m Holzprodukte), Ute Weiland (Land der Ideen GmbH) und Angela Schramm (Schramm Werkstätten)