Nach mehreren Jahren in Diensten des Rock’n’Roll hat die Wienerin Josepha Raho zu Ihren handwerklichen Wurzeln zurückgefunden und lebt ihre Kreativität als Goldschmiedin und Schmuckdesignerin aus. Im Interview mit der MEISTERSTRASSE erzählt die zweifache Mutter, warum sie nicht gleich Handwerkerin werden konnte, warum es sie freut, dass Erfolg und Misserfolg ganz in ihren Händen liegen und warum es ihr so schwer fällt, sich von ihren „Babys“ zu trennen.
Interview: Hannes Kropik, Fotos: Laura Ettel
Frau Raho, wie sind Sie zum Handwerk gekommen? Sie waren ja zuvor recht lange in der Musikbranche tätig.
Ich wollte eigentlich schon nach der Unterstufe mit einer Goldschmiedelehre beginnen. Meine Mama ist mit mir zu mehreren Meistern gegangen, doch der Grundtenor war: „Eine Lehre kostet den Goldschmied rund eine Million Schilling – aber das Mädel wird eh mit 16 schwanger …“ Das war Mitte der 1990er-Jahre und ich habe in Wien einfach keinen Lehrplatz gefunden.
Statt dessen haben Sie in der Musikwelt mit Berühmtheiten wie Bon Jovi, Bryan Adams oder Take That zu arbeiten begonnen …
Nach der Matura habe ich auf der Pädag eine Ausbildung zur Bildnerischen Erzieherin abgeschlossen und nebenbei immer wieder Goldschmiede-Kurse besucht und Praktika absolviert. Die Liebe zur Kunst hat mich nie wirklich losgelassen. Nach der Arbeit in der Musikbranche, wo ich mit so vielen kreativen Menschen zu tun gehabt hatte, habe ich gemerkt: Ich möchte endlich selbst etwas herstellen. Also habe ich mit 27 eine zweijährige Ausbildung auf der Wiener Goldschmiede-Akademie begonnen.
Haben Sie diese Liebe zum Handwerk von zu Hause mitbekommen?
Meine Familie ist generell sehr kreativ. Meine Mama fotografiert und zeichnet und mein Papa ist ein Handwerker. Ich habe von klein auf immer irgendetwas bauen oder reparieren dürfen, Vogelhäuser oder Hühnerställe zum Beispiel. Ich habe nie das Gefühl bekommen, dass ich als Mädchen die Finger von Hämmern, Sägen oder Äxten lassen sollte. Im Gegenteil. Meine Eltern haben mich immer gefördert und ich war auch bei den Pfadfindern.
Was fasziniert Sie am meisten an Ihrer Arbeit?
Von Gold, Silber und Edelsteinen geht eine Energie aus – aber auch eine gewisse Ruhe. Gold ist ein strapazierfähiges, geduldig Material. Man kann es bearbeiten – man kann es hämmern, walzen, glühen und nochmals bearbeiten. Man kann es nach eigenen Vorstellungen formen.
Was sind die wichtigsten Fähigkeiten eines Goldschmieds?
Dreidimensionales Denken ist sehr wichtig, weil man sich vorstellen können muss, wie das fertige Teil später einmal aussehen wird. Außerdem braucht man eine gewisse Kraft und viel Geduld. Und man muss eine gewisse Schmerzunempfindlichkeit entwickeln, man zwickt sich immer wieder irgendwo ein oder hämmert sich auf die Finger.
Sie haben zwei Söhne, der ältere geht in die Volksschule, der jüngere in den Kindergarten. Wie wichtig ist das Zeitmanagement für Sie und Ihre Arbeit
Zwischen Mutter-sein und Arbeiten eine Balance zu finden, ist tatsächlich eine Planungssache. Ich habe untertags meine Zeitfenster, die ich konsequent nutzen muss. Es ist ja nicht nur meine Arbeit in der Werkstatt. Ich muss Materialien einkaufen, ich betreue meine Homepage. Was mir sehr hilft: Meine Werkstatt ist sozusagen eine kinderfreie Zone, in der ich mich ganz auf meine Arbeit konzentriere. Bevor ich nach Hause gehe, richtige ich mir meinen Arbeitsplatz schon für den nächsten Tag so her, dass ich mich nur hinsetzen muss und gleich zu arbeiten beginnen kann.
Sie hatten zuvor, wie schon erwähnt, einen Job, in dem Sie eigentlich nichts Greifbares produziert haben. Wie wichtig ist Ihnen jetzt dieses haptische Gefühl, die eigene Arbeit in Händen halten zu können?
Das ist extrem wichtig! In meinem Job in einer Promotion-Abteilung konnte man nie so recht beurteilen, warum ein Song, eine CD erfolgreich war. War es alleine die Musik des Künstlers? War es diese eine Geschichte eines bestimmten Journalisten, der darüber berichtet hat? War ich es, weil ich mit den richtigen Partnern klug verhandelt habe? Letztendlich hat immer jeder den Erfolg für sich selbst beansprucht. Heute liegen Erfolg oder Misserfolg im wahrsten Sinne des Wortes in meinen Händen. Wenn ich am Ende des Tages ein von mir selbst produziertes Objekt in Händen halten darf, ist das ein schönes Erfolgserlebnis. Und dieses gute Gefühl wird sogar noch getoppt, wenn ein Kunde davon so begeistert ist, dass er es kaufen möchte.
Wie schwer ist es dann loszulassen und dieses Objekt tatsächlich aus der Hand zu geben?
Das ist furchtbar! Man legt ja sehr viel Liebe, sehr viele Gefühle in so ein Werkstück. Manchmal natürlich auch Frust, wenn es nicht so funktioniert, wie man sich die Arbeit vorgestellt hat. Man legt immer ein Stück seines Herzens in seine Arbeit. Man hat viel Zeit, Aufmerksamkeit, Geduld und nicht zuletzt Liebe in jedes Teil investiert. Es ist jedes Mal schwierig, so ein eigenes „Baby“ herzugeben. Auf der anderen Seite ist auch sehr schön zu sehen, wie viel Freude andere Menschen mit deiner Arbeit haben. Und wenn es dann ein Geschenk ist, zum Geburtstag oder vielleicht ein Verlobungsring, dann weißt du, dass deine Arbeit noch einen Menschen glücklich machen wird. Das macht mich schon auch stolz.
Was unterscheidet aus Ihrer Sicht handgemachte Einzelstücke von maschinengefertigter Massenware?
Der emotionale Aspekt. Ich glaube schon, dass ich als Handwerker eine Beziehung zum Schmuckstück, möglicherweise auch zum Kunden habe. Ich gebe meinen Schmuckstücken die Emotionen mit, die ich bei der Fertigung erlebe. Ich stelle mir bei der Arbeit auch schon potenzielle Kunden vor – das machen der Computer oder die Maschine sicher nicht.
Ist es das, womit Handwerker wie Sie neben massenhaft hergestellten Industrieprodukten bestehen können?
Ich glaube, dass der Kunde das Herzblut spürt. Es ist generell ein gesellschaftliches Problem, dass die Menschen immer weniger Bezug zum Ursprung haben, egal, ob im Handwerk oder auch beim Essen. Aber ich bin überzeugt, dass es zu einer Trendwende kommen wird. Ich merke ja, dass immer mehr Menschen wieder selbst etwas herstellen möchten.
Eine Chance für das Handwerk?
Ich glaube schon. Wenn ich an meine Kinder und ihre Zukunft denke: Ich werde ihnen sicher empfehlen, ein Handwerk zu lernen. Mir geht es auch darum, dass so viel Wissen verloren geht. Unsere Großeltern konnten so viele Dinge tun, von denen wir keine Ahnung mehr haben. Mein Vater kann auch noch alles selber reparieren, aber in meiner Generation sehe ich dieses Können nicht mehr so oft. Es muss wieder zu einer Aufwertung kommen! Mit den Händen zu arbeiten, darf nicht mehr als negativ angesehen werden.
Tut es das Ihrer Meinung nach?
Ich sehe es im Umfeld meines älteren Sohnes. Alle Eltern wollen, dass ihre Kinder unbedingt ins Gymnasium kommen, damit sie später studieren können. Dabei wäre es für viele Kinder so viel einfacher, wenn sie sagen könnten: „Ich will gar nicht studieren. Ich möchte Gärtner werden, ich möchte Goldschmied werden, ich möchte Schuster werden.“ Das sind doch tolle Berufe!
Zur Person:
Die Wienerin Josepha Raho, 37, hat in Buenos Aires eine Goldschmiedeschule (Complejo Educativo de Joyería) besucht und einen Gravier- sowie einen Edelsteinfasskurs absolviert und danach am 2. Bildungsweg die Wiener Goldschmiede-Akademie mit der Facharbeiterprüfung abgeschlossen. In ihrem kleinen Atelier in Wien-Penzing stellt sie nicht nur kunstfertige Einzelstücke her, die zweifache Mutter (und diplomierte Pädagogin) veranstaltet auch regelmäßig Kurse und Workshops, die nicht zuletzt besonders für Kinder interessant sind.
Weitere Infos:
www.meisterstrasse.com/de/designer-josephajeweller
www.josephajeweller.com